Kontrollzwang

Der Kontrollzwang ist dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen sich immer wieder über bestimmte Dinge absichern müssen, zum Beispiel ob der Herd ausgeschaltet ist, ob die Wohnungstür zugeschlossen ist, ob die Fenster alle zu sind, und so weiter. Der Druck, diese Dinge kontrollieren zu müssen, ist beim Kontrollzwang sehr hoch, so dass die Betroffenen soviel Zeit und Energie in die Kontrollen investieren müssen, dass dadurch andere Aktivitäten des alltäglichen Lebens sowie die Lebensqualität der Betroffenen leiden.


Was ist der Unterschied zwischen einem Kontrollzwang und “normalem” Kontrollieren?

Sehr viele Menschen kennen den Druck, noch einmal kontrollieren zu müssen, ob der Herd ausgeschaltet ist, oder noch einmal nachfassen zu müssen, ob die Wohnungstür wirklich verschlossen ist. Der Unterschied zwischen diesem “alltäglichen” Kontrollieren und einem Kontrollzwang besteht aber darin, dass bei diesem “alltäglichen” Kontrollieren zumeist ein einmaliges Nachprüfen reicht, und dass durch dieses Nachprüfen die Anspannung sinkt.

Kontrollzwang

Durch die “normale” Kontrolle, entsteht also die Sicherheit, dass die Tür zu ist, dass der Herd aus ist usw. - und damit die Sicherheit, dass man sich um diese Dinge nicht mehr kümmern braucht und sie aus den Gedanken verschwinden können.

Anders ist es bei einem Kontrollzwang. Bei dem Zwang konnte das Kontrollieren zwar anfänglich auch noch eine gewisse Absicherung bringen, im Verlauf der Zwangserkrankung hat es jedoch zunehmend diese Funktion verloren.

Wenn ein Betroffener, der unter einem Kontrollzwang leidet, zum Beispiel einen Herd einmalig kontrolliert, führt dies bei ihm nicht zu einer Absicherung.

Die Anspannung sinkt bei Menschen mit einem Kontrollzwang nach dem Kontrollieren - wenn überhaupt - nur kurz, oftmals bleibt sie trotz dieser Kontrolle weiterhin hoch oder steigt sogar noch an.

Kontrollzwang: Herd kontrollieren

Zumeist entsteht dann nach sehr kurzer Zeit der große Druck, den Herd nochmals kontrollieren zu müssen, um sich wirklich sicher zu sein.

Doch auch dieses nochmalige Kontrollieren führt nicht zu einer Absicherung - und der Betroffene wird zunehmend unruhig und versucht, durch immer kompliziertere Rituale diese Absicherung zu erreichen.

Viele Menschen mit Kontrollzwängen kennen zum Beispiel das Phänomen, dass es ihnen im Verlauf der Erkrankung nicht mehr ausreicht zu kontrollieren, ob ein Elektrogerät ausgeschaltet ist, sondern dass sie den Gerätestecker aus der Steckdose gezogen haben müssen - und dass sie mehrmals kontrollieren müssen, dass der Stecker wirklich nicht mehr in der Steckdose ist.

Kontrollzwang: Ursachen

Einige Betroffene berichten sogar, dass die Gerätestecker bei ihnen in einer bestimmten Mindestentfernung zur Steckdose liegen müssen, damit sie sich wenigstens etwas abgesichert fühlen können, dass das Gerät nicht doch noch angehen könnte.

Den meisten Betroffenen ist dabei vollkommen bewusst, dass diese Kontrollen überhöht und nicht notwendig sind, trotzdem verspüren sie immer wieder den massiven Druck, diese Kontrollen ausführen zu müssen.

Der Kontrollzwang führt schließlich dazu, dass diese Kontrollen nicht mehr dazu ausreichen, sich sicher zu fühlen. Die Gedanken bleiben dann bei dem kontrollierten Objekt und den damit verbundenen Befürchtungen hängen und fangen an, immer mehr um dieses Thema zu kreisen.

Wenn die Betroffenen es dann schließlich geschafft haben, nach wiederholten Kontrollen ihre Wohnung zu verlassen, bleiben die Gedanken trotzdem an dem Zwang hängen und nehmen teilweise noch zu, je weiter sich die Erkrankten von ihrer Wohnung entfernen. Dies führt dann häufig dazu, dass die Betroffenen wieder umkehren müssen, nochmals zurückfahren und die Objekte nochmals kontrollieren müssen.

Doch auch dieses nochmalige Kontrollieren kann letztendlich nicht das Gefühl der Absicherung und Ruhe bringen.

Stattdessen erleben viele Betroffene an diesem Punkt neben dem Zwang zusätzlich eine ausgeprägte Frustration und Hilflosigkeit, weil sie jetzt “schon wieder” ihrem Zwang nachgeben mussten und durch den Zwang “schon wieder” Zeit und Lebensfreude verloren haben.

Diese zunehmende Frustration und Hilflosigkeit kann bei vielen Erkrankten im Verlauf zum Auftreten von Stimmungstiefs und Depressionen führen. Hierdurch ergibt sich dann aber oft ein Teufelskreis, denn die Hilflosigkeit und Depressionen führen zu einer weiteren Verunsicherung der Erkrankten und damit zu einer weiteren Verstärkung der Zwänge.

Was ist die Ursache der Kontrollzwänge?

Die Ursache der Kontrollzwänge ähnelt sich bei vielen Betroffenen. Im Hintergrund des Kontrollzwänge stehen oft ausgeprägte Ängste und Unsicherheiten sowie ein gewisses “magisches Denken”.

Kontrollzwang: Beispiel 1

Hierzu ein Beispiel zum Thema “Herd ausschalten”:

Variante A: Ein Mensch “ohne” Kontrollzwang hat den Herd ausgeschaltet und ist sich dananch unsicher, ob er den Herd wirklich abgeschaltet hat. Er geht zurück zum Herd, sieht dass dieser aus ist, er fühlt sich abgesichert und geht dann ohne weiter über den Herd nachzudenken zu seiner nächsten Tätigkeit über. Die “Szene” mit dem Herd vergisst er sofort wieder, sie hat kaum Bedeutung für ihn.

Variante B: Ein Mensch “mit” Kontrollzwang hat den Herd ausgeschaltet und ist sich dananch unsicher, ob er den Herd wirklich abgeschaltet hat. Er fängt an zu grübeln, ob er den Herd auch ganz wirklich ausgeschaltet hat. Es kommen ihm Befürchtungen, was passieren könnte, wenn der Herd noch an wäre:
“Vielleicht habe ich den Herd ja doch ausgeschaltet. Aber wenn nicht, dann könnte die Küche anfangen zu brennen. Nein, der Herd ist ja bestimmt aus. Doch wenn die Küche brennt, dann könnte auch das ganze Haus Feuer fangen. Aber der Herd ist bestimmt aus, oder? Und wenn dann den Nachbarn etwas passiert? Die Schuld könnte ich nicht aushalten! Ich hatte doch meinem Therapeuten versprochen, dass ich den Herd nicht mehr kontrollieren werde - das sollte doch meine Übung für diese Woche sein. Aber die Nachbarn? Ich schaffe es nicht....!” Er geht zum Herd, kontrolliert zunächst nochmals durch Hinsehen. Dies alleine kann die inzwischen massive Anspannung nicht absenken, also greift er an den Drehgriff. Doch auch dies kann die Anspannung nicht absenken, also dreht er den Schalter mehrmals auf die höchste Stufe und dann wieder auf “Aus” um sicher zu sein, dass der Schalter auch wirklich auf der “0” steht. Nachdem der auch noch die Herdplatten durch Anfassen auf eventuelle Hitze kontrolliert hat verlässt er schließlich das Haus und fährt zur Arbeit. Während der Autofahrt wandern seine Gedanken ständig wieder zurück zum Herd: “Ich habe ihn jetzt ganz bestimmt abgestellt, oder...?”

Sie merken schon: In der Variante B bekommt das Thema “Herd ausschalten” eine viel größere Bedeutung und erzeugt bei dem Betroffenen unendlich mehr Anspannung, was schließlich dazu führt, dass die Anspannung auch durch das wiederholte Kontrollieren nicht mehr besser wird. Während für unseren Menschen in Beispiel A das Thema “Herd” gleich wieder vergessen ist, geht der Betroffene in Beispiel B mit der Erfahrung aus der Situation, dass das “Herd kontrollieren” etwas furchtbar bedrohliches ist, bei dem er beim nächsten Mal besonders sorgsam vorgehen muss.

Kontrollzwang: Beispiel 2

Ein Mensch mit einem Kontrollzwang gerät in Anspannung, weil bei der Arbeit ein wichtiges Projekt ansteht. Es kommt ihm der Gedanke “Wenn ich in meiner Wohnung alle Schränke geschlossen habe, wird das Projekt ein Erfolg!” Der Betrofffene fängt an, über diesen Gedanken nachzugrübeln: “Nein, ich weiss doch, dass die Schränke und mein Projekt keinen Zusammenhang haben, dies ist doch nur alles wieder mein Zwang! Aber wenn ich nicht nachkontrolliere...? Was würde ich nur tun, wenn mein Projekt schief geht...? Das könnte ich nicht aushalten, mein Chef schmeisst mich bestimmt raus! Und die Schränke, die sind doch alle zu, oder...? Ich muss jetzt unbedingt nachkontrollieren, ob sie wirklich zu sind, sonst geht mein Projekt schief...!”

Auch in diesem Beispiel bekommen die “verschlossenen Schränke” eine übermäßige Bedeutung, die für den Betroffenen nur durch ein wiederholtes Kontrollieren zu lösen ist. Während im ersten Beispiel insbesondere Unsicherheit, Schuldgefühle und ein zunehmender Verlust des Vertrauens auf die eigene Wahrnehmung den Kontrollzwang auslösen, führt im zweiten Beispiel insbesondere die Kombination der Ängste mit dem “magischen Denken” zum Enststehen bzw. Aufrechterhalten der Zwänge.

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   • Zwänge: Ursachen

Das Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung

Von morgens bis abends machen wir tausende kleiner oder größerer Handlungen, die vollkommen automatisiert ablaufen - ohne dass wir dem genauen Ablauf dieser Handlungen eine Bedeutung beimessen und ohne dass uns deren genauer Ablauf bewusst wird. Tief in uns verankert haben wir dabei die Sicherheit, dass wir uns auf uns selbst verlassen können und dass diese Handlungen keine zusätzliche bewusste Kontrolle benötigen.

Kontrollzwang: Licht

Beim Kontrollzwang geht dieses Vertrauen auf mich selbst und auf meine eigene Wahrnehmung zunehmend verloren. Während früher vielleicht der Griff zum Lichtschalter oder das wenige Sekunden dauernde Schließen des Fensters gereicht hat, dass ich mir sicher war, dass ich das Licht gelöscht und das Fenster korrekt geschlossen habe, werde ich im Verlauf des Kontrollzwangs zunehmend unsicher, ob ich mich auf diese Wahrnehmung verlassen kann. Dies führt dann dazu, dass ich vielleicht den Lichtschalter oder den Fenstergriff noch einmal nachfasse, ob auch wirklich alles passt.

Doch auch dieses Nachfassen reicht irgendwann nicht mehr, ich muss noch einmal auf die Stellung des Schalters, des Griffs und den Fensterrahmen schauen, damit ich mich sicherer fühlen kann. Aber wenn ich schon meinem Nachfassen nicht vertrauen konnte... - wer verspricht mir dann, dass ich meinem Blick vertrauen kann...? Also muss ich nochmals nachschauen und nochmal und nochmal...

Dies hat gleich mehrere Konsequenzen, denn zum einen hat das wiederholte Schauen auf das Fenster die Folge, dass mir um so mehr Unstimmigkeiten in meiner Wahrnehmung auffallen - und umso schlechter wird das Vertrauen in meine eigene Wahrnehmung. Zum anderen gibt es nach einigen “Kontrolldurchläufen” nicht mehr wirklich einen Punkt, an dem ich mit einem guten Gefühl aus den Wiederholungen “aussteigen” darf. Wenn dreimal nicht genug war, warum sollte dann fünfmal reichen...?

Also brauche ich im Lauf der Zeit immer kompliziertere Rituale, bis ich mit einem mehr oder weniger guten Gefühl mit der Kontrolle aufhören darf, ohne dass mich Schuldgefühle überwältigen.

Dies kann soweit gehen, dass einige Betroffene ihrer eigenen Wahrnehmung so wenig vertrauen, dass sie dazu übergehen, alle möglichen Dinge fotografieren zu müssen.

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   • Zwang, alles zu fotografierem

Wie wird der Kontrollzwang behandelt?

Die Behandlung des Kontrollzwangs erfolgt zumeist im Rahmen einer ambulanten Psychotherapie. Wie bei anderen Zwängen auch, hat sich auch für die Behandlung des Kontrollzwangs insbesondere die so genannte Verhaltenstherapie etabliert.

Im Rahmen der Therapie erarbeiten die Betroffenen zunächst gemeinsam mit ihrem Therapeuten, welche Ursachen bei ihnen zum Auftreten der Zwänge geführt haben. Im nächsten Schritt wird dann versucht, den Kontrollzwang immer weiter abzubauen und zu einem Leben ohne die Zwänge zurückzufinden.

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   • Zwänge: Therapie

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